Im selben Jahr besucht der Holzindustrielle Siegfried Pabst mit einem seiner eifrigsten Mitarbeiter, einem jungen Mann namens Wolfgang Pirker, die größte Pferdemesse der Welt, die Fieracavalli im italienischen Verona. Die beiden wollen einen Kunden treffen, der Pferdeboxen baut. Beim Besichtigen der Messe entdecken sie ein neuartiges Produkt: Entstaubte Hobelspäne.

„Wenn wir so etwas produzieren, könntest du das auch verkaufen?“, fragt Siegfried Pabst den passionierten Reiter Pirker. Dessen knappe Antwort: „Probieren können wir’s.“ Ein halbes Jahr später war die Produktionsanlage installiert und die Vermarktung konnte beginnen. Charakteristische Eigenschaften damals wie heute: In der Pabst Holzindustrie wird Zeit investiert, es wird langsamer und genauer gehobelt, weshalb der Span besonders weich, groß und flauschig ist. Er wirkt in der Box saugstark wie kein zweiter und ist dabei voluminös und staubfrei. 

Vom Huhn zum Pferd

Der Siegeszug am Markt kam freilich über Umwege. Zuerst wurden Hühnerbauern auf den staubfreien Span aufmerksam und zogen damit ihre Küken groß. Wie das Leben so spielt, griff der Zufall nun tief in seine Trickkiste und brachte Wolfgang Pirker mit drei Herren zusammen, die annähernd alles über Reitsport wussten: Thomas Frühmann, Peter Nidetzky und Rupert Ziller. Sie waren Veranstalter des Fests der Pferde in Wien, schon damals eine der größten Veranstaltungen in Europa. Für eine Gratislieferung zum Testen des Produkts bot man Pirker die Möglichkeit, seine Ware an einem eigenen Messestand zu präsentieren. Kleines Problem dabei: Niemand hatte dem Newcomer gesagt, dass er seinen Stand selbst mitbringen musste. So improvisierte er mit ein paar Versatzstücken und baute zusätzlich etliche Ballen kunstvoll auf. Der Erfolg: Nicht weniger als 70.000 dieser Ballen wurden im Laufe der Veranstaltung am Stand bestellt. Die Pläne der Geschäftsführung, die Spanproduktion mangels Nachfrage bald wieder einzustellen, lösten sich an diesen Tagen in Luft auf. Und aus dem Produkt mit dem sperrigen Namen „Entstaubte Hobelspäne der Firma Pabst“ wurde die Marke Alpenspan.

Viele der ersten Kunden kaufen bis heute ausschließlich die Qualitätsware aus dem Murtal. Das Fest der Pferde und später auch international bedeutende Turniere wie der CHIO Aachen wurden zu wichtigen Bühnen für die Span-Spezialisten aus der Steiermark. Aber noch fehlte ein entscheidendes Element: Eine klare Werbestrategie, die das Produkt über die Landes- und Turniergrenzen bekannt machen sollte. Auch hier kamen Wolfgang Pirker seine genaue Beobachtungsgabe und die profunde Kenntnis der Reiterszene zugute. Die ersten Teams von Audi und Sony Ericsson machten zu dieser Zeit von sich reden. Da fasste Mr. Alpenspan einen kühnen Entschluss: Er wollte sein eigenes Team aufbauen. Die Sportler wurden zwar mit Naturalien bedacht, mit Ausstattung aller Art, aber großes Budget war keines vorhanden. Das tat der Begeisterung keinen Abbruch und Schritt für Schritt konnte Pirker mit Anton Martin Bauer, Gerfried Puck, Dieter Köfler, Peter Gmoser und Thomas Frühmann einige der besten Reiter des Landes für seine Idee gewinnen.

„Ich habe das große Glück, dass meine Frau und meine Tochter reiten. Dadurch bin ich sicher an 20 Wochenenden mit ihnen gemeinsam unterwegs. Die ganze Familie im LKW.“ Wolfgang Pirker darüber wie Job und Familie unter einen Hut gebracht werden können.

Apropos Idee: Die Sakkos bei den Turnieren waren damals in elegantem Rot oder allenfalls in noblem Schwarz gehalten. Um ein starkes Signal für seine junge Marke zu setzen, kleidete Pirker sein Team allerdings in kräftiges Grün. Das erste große Turnier, bei dem Thomas Frühmann so gewandet einritt, fand in Leipzig statt. Selbst der erfahrene Sprecher Christian Graf von Plettenberg war fassungslos. Er rief Wolfgang Pirker an: „Das ist nicht dein Ernst? Die Leute lachen ja schon! Hör bitte sofort damit auf und wechsle die Sakkos aus!“ Doch Pirker dachte gar nicht daran. Es war wohl genau dieser vermeintliche Affront, der zum Erfolgsprinzip wurde. Die unüberhörbare Tatsache, dass manche Traditionalisten lautstark schimpften, störte weder den routinierten Klassemann Thomas Frühmann noch den geeichten Verkäufer Pirker. Vielen in der Szene gefiel freilich dieser Mut, mit dem das Team aus der Steiermark auftrat. Als dann der große deutsche Fernsehsender ARD vom österreichischen „Frosch“ Frühmann berichtete, der von Alpenspan gesponsert sei, wusste Pirker, dass seine Strategie auf fruchtbaren Boden gefallen war. Und es sollte sogar noch besser kommen…

LEGENDÄR: Der grüne Rock. Als ihn Thomas Frühmann das erste Mal in Leipzig trug, gab es Proteste. Heute ist er zum Markenzeichen geworden.

Vier Frösche auf dem Podium

Im Jahr 2012 konnte das Alpenspan-Team gemeinsam bei einem CSIO-Turnier in Budapest antreten. Diese Bewerbe sind grundsätzlich Nationalmannschaften vorbehalten, aber da die besten vier heimischen Spring­reiter in diesem Jahr alle mit dem markanten grünen Sakko unterwegs waren, durfte man mit einer Spezialgenehmigung starten. Und nicht nur das, mit dem dritten Platz konnte man eines der besten Resultate für ein österreichisches Team in den vergangenen zehn Jahren feiern. Wolfgang Pirker ist allerdings keiner, der sich mit seinen Mitarbeitern auf solchen Lorbeeren ausruht. Also wurde mit den Aushängeschildern Gianni Govoni und Alessia Rossi nun auch der bedeutsame italienische Markt gezielt angesprochen. Und das besonders Erfreuliche: Beide wurden zu begeisterten Markenbotschaftern und zu Team-Mitgliedern, die heute keiner missen will – weder beim Reiten noch beim Feiern danach. Rund um den Alpenspan-LKW findet man sich bei Turnieren oft zusammen und trinkt Kaffee. Man plaudert und tauscht Erfahrungen aus. Dieses Prinzip hat Pirker im Holzhandel gelernt, wo Geselligkeit und Gastfreundlichkeit seit jeher die Basis für wirtschaftliche Erfolge darstellen.

Es vergeht ohnehin kaum ein Wochenende, an dem nicht bei einem der größeren Turniere einer der Alpenspan-Reiter positiv in Erscheinung tritt. So wurden die auffälligen grünen Stücke, vom Sakko über die Pullover bis hin zu den Satteldecken, zu wahren Kultobjekten, mit denen sich auch Hobbyreiter gerne schmücken. Doch neben dem faszinierenden Glamour des Pferdesports, der oft strapaziösen Anreise und den vielen schönen Momenten bei den Reitveranstaltungen in halb Europa, gibt es auch das ganz normale Tagesgeschäft. 

600.000 Ballen produziert das Unternehmen heute jährlich, das entspricht in etwa 1.000 LKW-Zügen. Veranstalter wie etwa der exklusive Verband der CSIO-Turniere sind beileibe nicht die einzigen, die den naturbelassenen Span zu schätzen wissen. Tierärzte und Kliniken, die Veterinärmedizin in Wien, große Stallungen wie Magna Racino oder auch „kleinere“ Kunden, die drei Tiere bei einem Bauern eingestellt haben, lassen sich pro Pferd im Monat rund sechs Ballen liefern. Neben dem österreichischen Heimmarkt und dem Hauptmarkt Italien werden Slowenien, Ungarn, Slowakei und Tschechien immer wichtiger. Auch Schweizer Klientel wird von Zeltweg aus mit dem wertvollen Span beliefert. Wolfgang Pirker allein legt im Jahr 70.000 Kilometer mit dem Auto und 10.000 Kilometer mit dem Alpenspan-LKW zurück. Ein Land besuchen die Familien Pabst und Pirker freilich nach wie vor ganz besonders gern: Italien. Wo im Jahr 1990 alles seinen Anfang nahm.